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Montag, 9. Juli 2012

Markttotalitäre Propaganda in Berlin

(Bild: faktisch anonymes Propagandaplakat in Berlin / Juli 2012)

eine ungerechte, aber notwendige, Polemik...


Im gesamten Berliner Stadtgebiet hängt das oben gezeigte Plakat aus, im Impressum des Druckwerkes findet sich ein unverständlicher, von kaum einem Laien zu entziffernder, Barcode. Die Aussage des Posters ist an Niederträchtigkeit, Bosheit und schlechter Absicht nicht zu übertreffen. Man muss kein Psychologiestudium vorweisen können, um die platte, menschenverachtende Aussage dieses Werbeverbrechens zu verstehen. Der Text lautet in Wirklichkeit, also im Zusammenhang mit den Dingen und Vorgängen, die etwas bewirken: Wir, die wir dieses Plakat bezahlen, um zu manipulieren, verändern Berlin, und Ihr könnt nicht das Geringste dagegen tun, also denkt gar nicht erst daran. Denn wer ein solch dummdreistes Druckwerk im großen Stil ohne Rücksicht auf Verluste produzieren und propagieren lassen kann, dem gehört die Welt und natürlich auch Euer popeliges Berlin.

Das ist Markttotalitarismus, mit der Frage soll Mitsprache suggeriert werden, mit Begriffen wie "Verändern" soll den Menschen unterstellt werden, sie würden nicht genug mitmachen. Es ist schlichte neurolinguistische Progammierung, ein Verfahren ähnlich einer "totalitären Hetze", die dazu dienen kann, sich selbst den größten Unfug einzureden und sich dabei noch wohl zu fühlen. Gerade im Zusammenhang mit Massenneurosen infolge einer Art Massenautosuggestion sollte man hierzulande aber vorsichtig sein. Vom "Verändern Berlins" zum "Neuen Lebensraum im Osten" oder zur "Sonderschicht für das Volk" bis hin zu "Wir sind ein Volk" sind es nur kleine Schritte, die dann über protektionistischen Nationalismus oder internationale Zusammenarbeit entscheiden. Dass die Werber nunmehr schon zu nationalsozialen Allgemeinplätzen greifen müssen, um die Krise Berlins (die Stadt wird täglich langweiliger und provinzieller) wegzuplakatieren, lässt um die Zukunft bangen. So wird die internationale Metropole Berlin beschädigt und beendet, ganz abgesehen von der Peinlichkeit solch billiger Epistelplatitüden.

Durchaus unterhaltsam ist der Fakt, dass die Werber und Manipulierer unserer Tage auf Semantik und Grammatik der "realen Sozialisten" zurückgreifen müssen, ja sogar "grüne" und "anarchistische" Phrasen verbrämen, um ihre "kauft und investiert euch blöd" Losungen an die Leute zu bringen. Wenn BMW unter Missbrauch des Namens Guggenheim (sicher gut bezahlt, dem G.Museum geht das Geld damit vor jeden Inhalt - man sollte darauf immer acht geben, mit wem man in das Bett steigt...) fragen lässt, "Warum machen wir nicht mehr selbst, anstatt ständig Neues zu kaufen", dann ist dies eigentlich ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. BMW beschimpft mit derlei Schlichtheiten ihre eigenen Kunden, die die sie noch zu Kunden umbauen wollen und die Restmenschheit, die an Reichsautobahnkonzepten vielleicht gar nicht interessiert ist. Durchaus ein positives Zeichen ist allerdings, dass die Guggen-BMW-Umkehrung von städtebaulicher Diskussion ebenso wenig wirkt, wie ein Plakat, das Leerstand und Mietpreiswucher sowie einen kranken, in die Weltkrise führenden, Eigentumsbegriff aus der Antike bewirbt. Die Menschen sind nicht blöd, so manch ein Eigentümer und Geschäftemacher aber schon.

Berlin muss sich verändern, der momentane Bürgermeister ist untragbar geworden (Von der Kulturszene bis zum Flughafen und zurück.), die provinziellen Gierbürger, die seit der Wende Stadtteil um Stadtteil verwüsten, sollen endlich eine Leerstandssteuer bezahlen. Die Touristen-City-Tax, die Kulturtaxe heissen müsste, sollte die Kultur und Bildung der Stadt mitfinanzieren, und Investmentunternehmen müsste einer scharfen Kontrolle unterworfen werden. Und und und - aber die wirklich guten Ideen gibt es auch hier nicht umsonst.

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