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Freitag, 27. Oktober 2017
Fin de Siècle 2.0
(Bild: Bürgerkrieg ist kein Brettspiel)
Fin de Siècle 2.0, das zwanzigste Jahrhundert ist nicht vorbei, es ist ein elend, langwieriges Jahrhundert, es ist noch nicht klar, ob die Menschheit, als „vernunftbegabte“ Spezies, diese Zeit überleben wird. Entgegen der These vom langen neunzehnten Jahrhundert, scheint eher das 20ste Jhdt. nicht enden zu wollen.
Um 1861 - 1871 könnte als Beginn des Katastrophenjahrhunderts betrachtet werden. In den USA ist Bürgerkrieg, Europas Bismarck kauft die europäische Kaiserkrone und schöpft das Deutsche Reich. Die französische Revolution und die bürgerlichen Aufstände gegen die Monarchie, inspirieren schon Jahre vorher, Karl Marx und verleiten ihn, gemeinsam mit dem großbürgerlichen Friedrich Engels, zur kruden Idee von der „Diktatur des Proletariats".
Die Pariser Kommune zeigt bereits 1871 die Bruchlinien und Irrtümer, die eine emanzipatorische Bewegung zu bewältigen hat. Der Neuordnungskonflikt um die Welt und alle Dinge in ihr, erlebte seinen Take Off Ende des neuzehnten Jahrhunderts. Dieser Dauer-Brügerkrieg an allen Fronten - kommt, bis zum heutigen Tag, nicht hoch, auf den grünen Zweig einer tatsächlich neuen Ordnung.
Die Katastrophe des Weltkrieges, in den Episoden Eins und Zwei (1914-1945), verwüstet beinah den gesamten Globus. Dieser Weltkrieg beinhaltete die russische Revolution inkl. Bürgerkrieg, die Revolutionen in China inkl. Bürgerkrieg, die Revolution in Kuba, die bis heute tobenden Konflikte in Südamerika und auf dem indischen Subkontinent (uvam). Der umfassende Krieg zieht sich letztlich bis zum Ende des Vietnamkrieges und dieser Dauer-Krieg-Frieden-Krieg setzt mit dem Zerfall des Balkans und des Sowjet-Imperiums in voller Wucht wieder ein.
Um ein wenig Autofahren zu gewährleisten, destabilisieren die USA die Welt ab Anfang der 1990er wie nie zuvor. Sie gewinnen wohl keinen einzigen Konflikt, rufen aber, 2001 mit dem Krieg gegen den Terror, erneut den weltweiten, ewigen Bürgerkrieg aus. Dieser fällt ihnen nur teilweise auf den Kopf, denn das Dauerchaos ist gut für Waffen- und Überwachungsgeschäfte, außerdem hält es die Massen klein.
Die Terror-Propagandakeule richtet sich in erster Linie gegen die eigene Bevölkerung der von angeblichen "Terroristen" bedrohten Herrschaftsstrukturen. Geopolitische Strategien sind so relevant wie nie zuvor, aber verschwinden beinah zur Gänze aus der Medienlandschaft. Sie sind, offiziell, nur mehr Stoff für die orale Inkontinenz der sogenannten Expertendiskussionen.
Viele Verteilungskriege bleiben eingefroren, sie dauern bis heute an. Indien/Pakistan/Afghanistan, Korea, China/Taiwan, Russland, beinah der gesamte südamerikanische Kontinent, Balkan, Levante und Afrika. Ganz abgesehen von den unsichtbaren Kriegen in den US-amerikanischen Metropolen, die als soziale Probleme verharmlost werden, obwohl es sich augenscheinlich um latente Bürgerkriege handelt.
Millionen und Abermillionen lassen ihr Leben, Elend und, immer wieder runderneuerte Ausbeutung, sind die bestimmenden Element des endlosen 20ste Jahrhunderts. Der Mensch wundert sich derzeit über die Trumpisierung der Welt, der Fachmann aber gähnt – „nicht schon wieder“.
Ein immer größer werdender Anteil von „blutigen Laien“ geht sogar davon aus, dass es sich um neue, religiös motivierte Auseinandersetzungen handelt. Dieser tödliche Unfug hat Methode seit Mesopotamien, er ist eine über 6000 Jahre alte Taktik, das: „So zu tun wie es tatsächlich ist“ zu verschleiern.
In 2007 ist die Finanzierung der Welt zusammengebrochen, weit umfassender wie dies 1929 oder 1987 der Fall war. Die mittlerweile globalisierte Weltgemeinschaft pfeift darauf und bekämpft die gemachte Krise mit noch mehr Krise. Die Mundwinkel des Einzelnen, Steuer bezahlenden Konsumsklaven gehen nach unten, die Kämpfer jubeln und morden, organisiertes Verbrechen und Finanzmärkte feiern diamantene Hochzeit.
Zum zehnjährigen Jubiläum der weltweiten Finanzkrise ist die demokratische Politik am Ende. Wie es sich schon mit Faschisten in Österreich (Haider und Schüssel 2000-2006), Putins Diktatur in Russland, Berlusconis-Schmierenkomödie, Chinas elektronischem Staatskommunismus und Obamas Poppräsidentschaft ankündigte, übernimmt eine unsichtbare Finanzoligarchie die Geschicke der Welt zur Gänze.
Trumpism und das Auftauchen von Nazi-Zombies in Europa markieren das Ende der demokratischen Ansätze nach 1945 und den faktischen Totalverlust von Macht- und Gestaltungsoptionen durch mehr schlecht als recht, gewählte, Parlamente und Regierungen.
Die "gewählten" Präsidenten, Kanzler und Politiker finden sich im Reich der Unterhaltungsindustrie wieder. Ihre Bezahlung ist sinnlos und zu hoch, der Geschmack des Publikums ist popkulturell verseucht und grottenschlecht. Maximal decken die übelsten Täter der Politnomenklatur kriminelle Finanzzusammenhänge, die das physische, tatsächliche Wirtschaften immer mehr verunmöglichen.
Auch der mittelständische Unternehmer oder bürgerliche Nur-Millionär sind Opfer dieser Entwicklung, die Obdachlosenheere stehen ihnen tatsächlich näher als die Finanzmechaniken der Märkte. Die Finanzmaschinen haben sich, vor über hundert Jahren, aus der menschlichen Wirklichkeit verabschiedet.
Totale Überwachung, Massenparanoia, Terrorhysterie, Medienoverkill, Wettrüsten, Nationalismen und religiöse Umnachtung sind die angeblich neuen, aber letztlich, uralten Verdauungsbeschwerden im Jahr 146 des 20sten Jahrhunderts.
Es wundert nicht, wenn Neo-Impress & Expressionismus die Leinwände wieder erobern und dem vergoldeten Neo-Jugendstil die Kunst-Führer eine Autobahn betonieren. Es ist nur bescheuert-konsequent, wenn der Neo-Symbolismus zum Inbegriff politischer Literatur wird und Eventunkultur, sich als Fake-Avantgarde gebärdend, jegliche Ansätze von Geistesarbeit abtötet.
Es ist auch wenig absonderlich, dass eine bekannte Buchmesse die Bücherverbrenner von morgen hofiert und naivdemokratischen Meinungsfreiheits-Mundstuhl absondert.
Gewalt, Faschismus, Totalitarität und Verbrechen sind keine Meinungen, aber in dieser beinah 150 jährigen Phase einer neurotisch daherkommenden, großen Dekadenzerzählung, haben sie Unterhaltungswert und wachsen als "Auch-Meinung" ein, in die populärreligiösen Riten der Gesellschaften.
Das Sein der Dinge ist immer ambivalent (widersprüchlich). Zu große Freiheit des Einzelnen führt zwangsläufig zur Unfreiheit von Vielen. Machtmissbrauch ist der Machtausübung automatisch eingeschrieben. Direkte Demokratie in Form der sogenannten Volksabstimmung führt zum Gegenteil - der Diktatur der Mehrheit. Demokratie wäre einfach zu erreichen, würde aber beinhalten, dass der einzelne Teilnehmer an Gesellschaft, dafür auch Zeit und Hirn aufwenden müsste.
Überalterte Gesellschaften richten sich immer nach „rechts“, ins Lager der Bewahrer des Alten, aus. Damit schaffen sich derlei Gesellschaftsverbände aber nur schneller selbst ab. Der Mensch ist ein mobiles Wesen, die Geschichte unserer Spezies ist eine Geschichte von Wanderungen, Flucht, Vertreibung und dauerndem Aufbruch zu neuen Ufern.
Die Durchdringung des „Einheimischen“ durch „Fremde“ garantiert nicht nur die genetische Gesundheit der Menschheit, sondern auch eine altersbezogene Balance. Zivilisationen, die dies verhindern wollten, sind, ohne Ausnahme, allesamt untergegangen. Die Post-Post-Moderne reißt uns in rasendem Stillstand (Paul Virilio) Richtung Abgrund.
Die Moderne wurde von der Postmoderne gänzlich ausgelöscht. Dies aber ganz und gar nicht im Sinne der Protagonisten der Postmoderne, sondern mit Hochgeschwindigkeit zurück in die dunkle Geschichte der Neuzeit und die noch finstereren Zeiten des Mittelalters und der Antike. Luther, Schicklgruber, Mussolini aber auch Cäsar hätten eine wahre Freude damit. Auf dem Weg in die elektronische Steinzeit-Höhle lauern aber, glücklicherweise, unüberwindliche Hindernisse.
Das rechts/links Schema des politischen Denkens und Handelns ist aus der Mode gekommen. Die vor-schrittliche, der Zukunft zugewandten Linke wird als konservativ wahrgenommen und die rückschrittliche, der Vergangenheit verhafteten Rechte wir als fortschrittlich bewertet. Diese Verkehrung ist wohl als grenzenlose Verdummung so gut wie nicht überbietbar, bestimmt aber trotzdem den Diskurs des auslaufenden 20sten Jahrhunderts im Jahr 2017.
Die Rechten gebären sich als sozial kompetent und bedingt menschenfreundlich, währenddessen das genaue Gegenteil ihre tätliche Praxis ist, während die Linken als Bewahrer und konservativ erscheinen, obwohl ihre Themen und Programme dem diametral entgegengesetzt sind.
Die höchste Form von politreligiösen Wahnvorstellungen sind die Gruppen von Menschen, die behaupten, nicht rechts oder links zu sein, ohne zu merken, dass alleine diese Behauptung schon am rechten Rand angesiedelt ist und von abgrundtiefem Unwissen zeugt. Essen, Kleidung und Wohnung lassen sich nicht herbeibeten, sie müssen organisiert werden.
Die gesellschaftliche Mitte, besser geschrieben - der Nachkriegsschock-Waffenstillstand, ist ein Phantasma der allumfassenden, strukturellen Korruption des Mensch-Seins, sie entbehrt bei genauer Betrachtung jeglicher Grundlage.
Gleichwohl rast ein Kulminationsaugenblick auf die gesamte Menschheit zu, die Finanzmaschine ist kaputt und steht vor ihrer, wahrscheinlich finalen Überhitzung. Ein Teil der Menschen, die Smombies, hängen an bunten Bildchen und bemerken nicht, wie ihnen das Fell über die Ohren gezogen wird. Die Finanzkatastrophe (2007 bis heute), und damit der Beweis, dass es "den Kapitalismus" als System nicht gibt, der Zustand "Kapitalismus" aber systemische Züge trägt, ist mit Umschichtung oder breitem, neoliberalen Verbrechen nicht zu lösen.
Auch die "totale" Kriegsoption, als schnelle, geschäftsfördernde Vernichtung von Gütern, Schulden und Kapital ist kein gangbarer Weg mehr. Die teilautomatisierte Bewaffnung wäre nicht unter Kontrolle zu halten, die komplette Auslöschung würde zu einem realistischen Szenario.
Das Alte kann nicht mehr und das Neue gibt es noch nicht, steht nach über 149 Jahren wieder auf der tagesaktuellen Agenda. Vielleicht liegt es bei den Geisteswissenschaften, den Naturwissenschaften und den Künsten, der Geschichte wiedereinmal einen Tritt zu verpassen, der sie in die Zeit nach vorne ausrichtet. Naturwissenschaft, Rechtslehre, Philosophie und Kunst sind die letzten Bastionen gegen umfassende Verblödung und Rücksturz in archaische Zeiten.
Die Kulturkämpfe müssen geführt und von der Vernunft gewonnen werden. Traveller, internationale Vernetzung als Abfallprodukt von Kontrollwahn,private Raumfahrt, Klimaziele, Energiewende, internationaler Austausch von Kunst und viele Dinge mehr, machen da mehr als nur Hoffnung. Das 21 Jahrhundert muss erarbeitet werden, dann wird es endlich, seinen längst überfälligen Anfang nehmen.
Frieden ist nur die Pause zwischen den Kriegen, eine weltumfassende Kooperation könnte die Menschen in eine lebenswerte Zukunft tragen. Der neuerliche Zerfall von Imperien, als momentane Beispiele können hier die USA und Europa dienen, führt in brandgefährliche Frontstellungen. Die Welt muss sich neu ordnen, warum dann nicht in eine föderale Union der Regionen.
Europa könnte als "Avantgarde" voran gehen, den populistischen Rechtsrutsch nutzen, die National-Regierungen auf den Misthaufen des 19 Jahrhunderts werfen, und als Europäische Union der Regionen sich selbst erneuern. Zusammenarbeiten oder sterben, sind die Optionen, denen wir uns stellen müssen.
Unsere natürliche Mobilität braucht immer ein Ziel, unsere psychologische Verfasstheit braucht immer ein großes Projekt. Da Gott tot ist und die Erde zum Easy Jet-Dorf wurde, wäre es an der Zeit den nächsten Schritt zu wagen. Pointiert formuliert, dieses Sonnensystem ist unser Sonnensystem, das neue Land liegt tatsächlich hinter dem blauen Firmament, Bodenschätze in Hülle und Fülle gibt es kostenlos an Selbstabholer abzugeben.
Wem dies alles zu unrealistisch erscheint, der sollte sich fragen, wie realistisch unsere Gegenwart ist. Ob die Nichtkonzepte der Retro-Faschisten, die Vebrennungsmaschinen, religiös motivierte Gewaltorgien, realsozialistische Phantasmen oder Wachstum bis der nächste Krieg kommt, tatsächlich zukunftsfähige Perspektiven ergeben. Es wird höchste Zeit für das Jahr 2000, möchte man meinen...
Nachtrag: Einige wichtige Punkte sind in der oben stehenden Schlechterwisserei nicht berücksichtig.
1.Es ist so gut wie unerforscht, wie sich das Novum, dass der Mensch sein Lebensdauer, auf bis zu fünf Generationen ausgedehnt hat, mittel- und langfristig auswirkt.
2.Die "digitale Revolution" steht erst an ihrem Anfang, wir wissen nicht wie sich dies weiterentwickeln wird und welche Auswirkungen sich daraus ergeben werden. Bestenfalls habe wir nur eine vage Ahnung davon.
3.Wir können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht einschätzen, wie sich der Drogengebrauch weiterentwickelt und inwieweit (zum Beispiel), die Ablösung des massenhaften Gebrauchs von Alkohol durch massenhaften Cannabiskonsum, gesellschaftlichen Einfluss entwickelt.
4.Wir stehen erst am Anfang der Emanzipation der Frau, wir werden sehen ob dies nicht, DER nächste, zivilisatorische Schritt sein kann, der uns allen eine menschlichere, empathischere Welt beschert.
Und allerlei Dinge mehr, die diese Epistel aber "noch mehr überladen" würden als sie ohnehin schon ist. Eines scheint aber klar - um mit Platons Sokrates zu sprechen: "Wir wissen, dass wir nichts wissen", dies sollte uns, nach wie vor, Motivation genug sein, um Neues und Ungedachtes in Erfahrung bringen zu wollen.
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